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Polen 2024 - Tag 10 - 55,5km - Kadyny - Kaliningrad - Frombork

Russland, heute sahen wir Russland.... Aus der Ferne. Der Grenzübergang war geschlossen. Ehrlich gesagt  hatten wir auch keine Ambitionen wirklich einzureisen, wir wollten uns die Grenze und den Grenzübergang aber zumindest anschauen. 

Bis es so weit war, wühlten wir uns durch einige Familiengeschichten und wurden von Unerwartetem überrascht.  

Kaliningrad, Frombork, beides liegt am Frischen Haff. 

Es ist tragisch bekannt geworden als Fluchtroute für die größte Fluchtbewegung in der Geschichte des zweiten Weltkrieges. Im Winter 44/45 zogen Flüchtlingsströme zu Hunderttausenden aus Ostpreußen verfolgt von der Roten Armee über das zugefrorene Haff, und zu tausenden starben sie. Sie erfroren, ertranken, brachen ein, wurden von der Roten Armee bombardiert. 

Und beim Kommunizieren mit Freunden und Bekannten wurde uns deutlich, dass viele Verwandte haben, die übers Haff geflüchtet sind oder anders aus Ostpreußen fliehen mussten. Meine Oma musste mit 19 oder 20 aus Ostpreußen fliehen, Mareikes "Nennverwandter" ist als Dreijähriger mit über das Haff geflohen, zwei weitere Freunde haben Verwandte, die übers Haff geflohen sind die Schwiegereltern einer Freundin sind auch von dort geflüchtet. Da Schleswig-Holstein eines der Bundesländer war, das die meisten Geflüchteten aufnahm, ist es theoretisch nicht überraschend, dass wir so viele Verbindungen dorthin haben, aber dennoch war uns beiden das nicht so bewusst. 

Das alles fassten wir bei einem Cappuccino in Frombork zusammen und beim Aufschauen Richtung Dom überraschte uns Unerwartetes: Der riesige Mann vom Denkmal vor Fromborks Dom ist: Nikolaus Kopernikus. Das war uns gar nicht bewusst. Kopernikus war Domherr in Frombork und ist auch hier begraben. Leider konnten wir die Kathedrale nicht besuchen, es fand ein Konzert statt. 

Und dann weiter Richtung Russland. Ich sorgte mich ein wenig über den Verkehr auf der 54, ob es wohl einen Radweg gibt? Ob es viel Verkehr gibt? Nein, es gab quasi keinen Verkehr ab 3km vor der Grenze mehr. GLS überholte uns, ein Mercedes kam uns entgegen und einen Van trafen wir, in beide Richtungen. Die Grenze war dicht. Seit Corona. Wurde nie wieder auf gemacht. 

Und jetzt wird es ein wenig wild. Wir kamen also an und fuhren bis zur Schranke. 

Niemand war zu sehen. Ich war dicht davor, da erschien plötzliche eine polnische Grenzschützerin und kam auf mich zu. Sie sprach mich sehr freundlich an, ich verstand kein Wort und bedeutete, dass wir gar nicht rüber wollen, sondern nur schauen und dann zurück. Sie sagte irgendwas von "Passport". Seltsam. Natürlich gaben wir ihr unsere Ausweise. Sie ging weg, da kam eine andere Grenzschützerin zu uns, sie konnte englisch und es entstand ein ausgesprochen nettes Gespräch. Malte war on fire und quatschte mit ihr darüber, wie es für sie ist mit der Grenze und wir erfuhren die bereits geschriebenen Informationen zur Schließung. Und ob es sehr entspannt sei, hier zu arbeiten. Da machte sie ein uneindeutiges Schulterzucken und spätestens ab da, rasten die Rezeptionen dieser Unterhaltung bei Malte und mir auseinander. Die Grenzschützerin erzählte was davon, dass man hier Fotos machen dürfte, aber nicht an den "grünen" Abschnitten der Grenze und sie müssten alle kontrollieren und woher wir denn kämen und wie lange wir schon unterwegs seien und wo wir hin wollten und wie lange wir noch unterwegs sein wollen und die grünen Grenzen seien videoüberwacht und wenn man dort Fotos macht, ggf. auch seinen Fuß zu weit nach Russland rein setzt, irgendwelche Gebühren bezahlen müsste und sie fanden uns so toll und cool, und waren so begeistert von uns, dass sie fragten, ob sie ein Foto von uns machen dürften. Das dachte Malte jedenfalls. Und von außen betrachtet wirkte es auch so. Ein total nettes, herzliches, persönliches Gespräch und sie fanden uns cool. 

Und ich dachte: Aha, Personalien überprüft, nebenbei ausgefragt was wir wollen, wo wir herkommen und wo wir hinfahren und wo genau wir übernachten (Malte zeigte ihnen voller Freude unsere Booking.com Unterkunft) und Fotos haben sie auch, damit sie uns wiedererkennen können, falls wir doch Blödsinn an der Grenze machen. Und zwar alles auf eine perfekt deeskalierende, nette, herzliche Art, dass man nur mit zu viel Agentenfantasie drauf kommen könnte, dass das hier gerade ein Verhör ist. Dessen war ich mir sicher. Warum sollten uns die Grenzschützerinnen im Dienst so cool finden, dass sie ein Foto von uns wollten... Ich war in bester Geheimdienstmanier skeptisch. 

Sie waren sogar so nett, mit Maltes Handy ein Foto von uns zu machen.

Wer auch immer recht hatte, Malte oder ich, ob die Frauen an der Grenze es vielleicht wirklich total nett fanden, mal Abwechslung zu haben, oder ob sie vielleicht Bilder von coolen Leuten sammeln oder ob sie einfach Verhörprofis waren - Wir können es nicht wissen.

War aber cool.

In einem voll komischen Ort Pommes und Salat (ich, den Salat bekam ich sogar geschenkt, weil die junge Frau nicht wusste, wie sie es einbuchen sollte und als ich dann vorschlug, es nochmal als Pommes zu buchen, hatte ich schon bezahlt und sie winkte ab und machte mir einfach eine Schale Salat fertig) und die weißesten Weißbrötchen auf der Welt mit den Vorräten aus dem Gutskühlschrank zum Mittag gegessen.

Teile des Guts.

Zurück in Frombork warteten wir, wie gestern auch, vor unserem Quartier, draußen an der Straße vor einer verschlossen Tür. Man konnte drüber schauen. Da kam ein Mann die Treppe runter. Er winkte ab und war gar nicht kommunikationswillig. Als wir sahen, dass er sich an einem deutschen Auto zu schaffen machten, sprachen wir ihn auf Deutsch an. Die Hausherrin käme gleich. Er ging rein, kam mit seiner Frau raus, ging auf die Tür zu: "Wir könnten euch rein lassen." Sie gingen durch die Tür: "Aber ob das gut ankommt?" und knallte uns die Tür vor der Nase zu.

"Ich kann Ihnen sagen, was nicht gut ankommt - Sie!" Ich sah Malte schon mit Chuck Norris Kick Richtung Frau fliegen, aber nur in meiner Fantasie und gesagt hat sie es auch nicht. Die beiden Sachsen waren die unfreundlichsten Menschen, die uns auf der gesamten Tour über den Weg gelaufen sind. Zum Glück schlafen wir nicht mit denen in einem Haus.

Und noch etwas Gutes von heute: Wir waren zwar nicht im Dom, aber auf dem Wasserturm, der zum ersten Wasserleitungssystem in Polen und dem zweiten in ganz Europa gehörte. 

Ausblick vom Wasserturm auf den Dom.

Der Erbauer war kein anderer als - nein, nicht Kopernikus - Valentin Händel, ein Vorfahr von Georg Friedrich Händel. Von dort hatten wir eine wunderbare Aussicht über das Haff, man bekam sogar ein Fernglas, von dem schöngeistigen Aristokraten aus der Wasserturmbutik. 

Den fragte ich bei unserer Rückkehr über seine Kenntnisse der Abfahrzeiten der Hafffähre (Deutsch ist wie Legosteine) und zu unserem großen Glück, konnte er liefern: Morgen können wir um 8:30 von Frombork nach Krynica Morska rüber fahren. Das ist insofern gut, als dass uns die steigungsreiche Radfahrt unter Zeitdruck nach Tolmicko erspart bleibt. Wir fanden online nämlich nur von dort eine Fähre am Morgen. Gut dass ich gefragt habe. Die Tickets sind gebucht und heute wollen wir früh schlafen gehen. Ob das klappt, bleibt abzuwarten. Ich bin jedenfalls recht müde nach diesem ereignisvollen Tag. Shoppen bei Rossmann und Lidl waren wir nämlich auch noch. 

Malte saß übrigens sehr viel in den verschiedenen Duschen, weil es häufig keine Duschkopfaufhängungen gab. Selbst heute, mit Duschkopfaufhängung saß sie in der Dusche, weil ihr der Duschstrahlwinkel nicht gefiel. 

Plan für morgen: Mit der Fähre übers Haff, zurück nach Danzig, Bernstein kaufen.

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Russia, today we saw Russia.... From a distance. The border crossing was closed. To be honest, we had no real ambitions to enter the country, but we at least wanted to take a look at the border and the border crossing. 


Until the time came, we rummaged through some family stories and were surprised by the unexpected.  


Kaliningrad and Frombork are both located on the Vistula Lagoon. 



It has become tragically famous as the escape route for the largest refugee movement in the history of the Second World War. In the winter of 44/45, hundreds of thousands of refugees from East Prussia crossed the frozen lagoon, pursued by the Red Army, and thousands of them died. They froze to death, drowned, collapsed, were bombed by the Red Army. 



And when we talked to friends and acquaintances, we realized that many of them had relatives who had fled across the lagoon or had to flee East Prussia in some other way. My grandmother had to flee East Prussia when she was 19 or 20, Mareike's “nominal relative” fled across the lagoon with her when he was three years old, two other friends have relatives who fled across the lagoon and the parents-in-law of a friend also fled from there. Since Schleswig-Holstein was one of the federal states that took in the most refugees, it is theoretically not surprising that we have so many connections there, but neither of us were aware of it. 


We summarized all of this over a cappuccino in Frombork and when we looked up towards the cathedral, we were surprised by something unexpected: the huge man on the monument in front of Frombork's cathedral is: Nicolaus Copernicus. We were not even aware of this. Copernicus was a canon in Frombork and is also buried here. Unfortunately, we were unable to visit the cathedral as there was a concert taking place. 


And then on towards Russia. I was a little worried about the traffic on the 54, I wonder if there is a cycle path? Would there be a lot of traffic? No, there was virtually no traffic from 3km before the border. GLS overtook us, a Mercedes came towards us and we met a van, in both directions. The border was closed. Since Corona. Never opened again. 


And now it's getting a bit wild. So we arrived and drove up to the barrier. 



No one was to be seen. I was close to it when a Polish border guard suddenly appeared and approached me. She spoke to me in a very friendly manner, I didn't understand a word she said and told her that we didn't want to cross, we just wanted to look and then go back. She said something about “passport”. Strange. Of course we gave her our IDs. She walked away and another border guard came up to us, she spoke English and we had a really nice conversation. Malte was on fire and chatted to her about what it was like for her with the border and we learned the information already written about the closure. And whether it was very relaxed to work here. She shrugged her shoulders ambiguously and from then on at the latest, Malte's and my receptions of this conversation fell apart. The border guard told us that we were allowed to take photos here, but not at the “green” sections of the border and that they had to check everyone and where we were from and how long we had been traveling and where we wanted to go and how long we still wanted to be on the road and that the green borders were under video surveillance and if you took photos there, you might have to pay some fees if you set foot too far into Russia and they thought we were so great and cool and were so enthusiastic about us that they asked if they could take a photo of us. At least that's what Malte thought. And it looked that way from the outside. A really nice, warm, personal conversation and they thought we were cool. 


And I thought: Aha, personal details checked, asked what we wanted, where we were coming from, where we were going and where exactly we were staying (Malte was delighted to show them our Booking.com accommodation) and they also had photos so that they could recognize us if we got up to mischief at the border. And everything was done in a perfectly de-escalating, friendly, cordial way, so that it would take too much of an agent's imagination to think that this was an interrogation. I was sure of that. Why would the border guards on duty think we were so cool that they wanted a photo of us... I was skeptical in the best secret service manner. 



They were even nice enough to take a photo of us with Malte's cell phone.

Whoever was right, Malte or me, whether the women at the border thought it was really nice to have a change, or whether they were collecting pictures of cool people, or whether they were simply interrogation professionals - we can't know.


But it was cool.



In a totally weird place, fries and salad (me, I even got the salad for free because the young woman didn't know how to book it and when I then suggested booking it again as fries, I had already paid and she waved it off and just finished me off with a bowl of salad) and the whitest white rolls in the world with the supplies from the estate fridge for lunch.



Parts of the estate.

Back in Frombork, like yesterday, we waited in front of our accommodation, outside on the street in front of a locked door. You could look over it. A man came down the stairs. He waved us off and was not at all willing to communicate. When we saw that he was tampering with a German car, we spoke to him in German. The landlady would be along shortly. He went in, came out with his wife, approached the door: “We could let you in.” They went through the door: “But will that go down well?” and slammed the door in our faces.


“I can tell you what won't go down well - you!” I could already see Malte flying towards the woman with a Chuck Norris kick, but only in my imagination and she didn't say it either. The two Saxons were the most unfriendly people we met on the whole tour. Luckily we don't sleep in the same house as them.


And another good thing from today: although we didn't go to the cathedral, we did go to the water tower, which was part of the first water supply system in Poland and the second in the whole of Europe. 



View of the cathedral from the water tower.

The builder was none other than - no, not Copernicus - Valentin Händel, an ancestor of Georg Friedrich Händel. From there we had a wonderful view over the lagoon, we were even given binoculars by the beautiful aristocrat from the water tower building. 


On our return, I asked him about his knowledge of the departure times of the lagoon ferry (German is like Lego bricks) and to our great luck, he was able to deliver: Tomorrow we can cross from Frombork to Krynica Morska at 8:30. That's good in that it means we don't have to cycle uphill to Tolmicko under time pressure. We only found a ferry from there in the morning online. Good thing I asked. The tickets are booked and we want to go to bed early tonight. Whether that will work remains to be seen. I'm certainly pretty tired after such an eventful day. We also went shopping at Rossmann and Lidl. 


Incidentally, Malte spent a lot of time sitting in the various showers because there were often no shower head hangers. Even today, with a shower head attachment, she sat in the shower because she didn't like the shower spray angle. 


Tomorrow's plan: take the ferry across the lagoon, back to Gdansk, buy some amber.


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