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Tag 9 - Köln -> Koblenz 109km, 10 Millionen Liter Regen

 Eigentlich wollte ich schreiben: 

Das war ein ziemlich krasser Tag und irgendwie auch sehr geil. Aber dann passierten am Ende noch so viele Dinge, dass wir nur noch sagen können:

Wenn eine atomare Katastrophe auf einer Skala von 1 bis 10 eine 10 ist, würden wir dem Tag heute ein 8 geben.

Von wegen verflixter siebter Tag, heute war die Hölle.

Es hätte aber auch alles noch schlimmer kommen können: Der Regen, der uns den gesamten Tag begleitete, hätte auch durchgängig Starkregen sein können, das war er immerhin nur auf der halben Strecke von den 109 Kilometern, die eigentlich 97 hätten sein sollen.

Hier flüstert es gerade von der Seite, von Malte, die im Badezimmer auf dem Fußboden sitzt und versucht, mit der eingetrockneten Vulkanisierungsflüssigkeit ihren Reifen zu flicken: "Oder vielleicht doch eine 9."

Zum Glück hielten meine Ortliebs von oben dicht, unten drin bildete sich jedoch eine Pfütze. Immerhin war meine Daunenjacke in einer wasserdichten Tasche, es hätte auch in diesem Fall noch schlimmer kommen können.

"Das ist ne richtige Dreckstasche, eine richtige Hodentasche."

Malte hinterlässt immer sehr viel Dreck wo auch immer sie eingekehrt ist. Mein Rad hat Schutzbleche. 

Es war so viel Regen und Unwetter angesagt, dass wir den Abend zuvor noch gegrübelt hatten, ob wir überhaupt fahren könnten. Regen ist zwar unbequem, aber bevor es gefährlich werden würde, hätten wir abgebrochen. In Bonn, nach 30 Kilometern, würden wir eine Freundin treffen und entschlossen uns, auf jeden Fall bis Bonn zu fahren und dort zu entscheiden was wir tun. Und dann ging es halt los im Starkregen. Was soll man machen. Fahren, fahren, fahren und dann rettete uns Anna. Der Tisch war reich gedeckt und die Laune stieg. Der kleine Flitzeföhn trocknete die wichtigsten Sachen.

Malte sitzt immer noch im Badezimmer auf dem Fußboden und pustet mit dem Mund den Schlauch auf.

Wir sorgten uns außerdem um das angekündigte Hochwasser, denn wir würden nur am Rhein entlang fahren. Ein Anruf bei einem Eingeborenen nahm uns die Sorgen, die Rheinradwege würden für heute noch befahrbar bleiben. Und so war es dann auch, fast. Und insgesamt können wir tatsächlich sagen:

Der Rhein rettete uns heute.

Hatte ich es schon erwähnt? Es regnete den gesamten Tag! Durchgängig. Erst um halb 8 abends hörte es auf. Aber da hatten wir schon wieder andere Sorgen. Also: Der Rhein rettete uns heute, denn wir hatten keine problematischen Höhenmeter zu machen. Die kamen erst am Schluss und wurden für mich problematisch. Für Malte auch, aber anders.

Bei der Freundin improvisierten wir wasserdichte Socken mit Hilfe von Tüten, die wir mit Klettertape an unseren Knöcheln festkleben. Das funktionierte auch super, bis zu dem Zeitpunkt, als wir durch einen überschwemmten Radweg fahren wollten und das Wasser plötzlich bis zur Radnabe stand. Also schnell umdrehen und was war die sicherste Möglichkeit um nicht komplett ins Wasser zu fallen? - Absteigen. Ich stieg ab und ab da hatte ich nasse Füße. Maltes Socken waren tatsächlich bis zum Ende fast trocken.

Bis Koblenz sollten es dann noch 67km sein und wir haben durchgezogen. Was soll man auch machen? Wie gesagt: Es regnete und wenn wir länger standen, wurden wir kalt. Wir erinnerten uns immer wieder an die Jungs von Biking Borders, die bei -8°C mit dem Zelt in Ostanatolien unterwegs waren, und dann wurde es auch wieder besser.

Und meistens fand ich es sogar ziemlich spannend und aufregend und war begeistert von dem was ich sah und erlebte: Der Rhein war schon so hoch und so wild strömend, dass wir teilweise wirklich durch den Rhein fuhren, weil die Radwege überschwappt wurden. Das Regenprasseln auf die Kapuze war ein tolles Geräusch. Das Rauschen der Reifen über den nassen Asphalt, die großen Blasen die sich bildeten, wenn die großen, schweren Tropfen vom Starkregen in die Pfützen vielen. Und ich glaube ich hatte auch deshalb auf der Fahrt so gute Laune, weil Malte sehr schlechte Laune hatte. Sie fands scheiße. Sie fand es scheiße im Regen zu fahren. Und genau so sollte ich das auch bitte schreiben. Na ja, das war wohl der Ausgleich, Ying Yang, gute Zeiten, schlechte Zeiten. GZSZ.

Nach Trillionen Litern Wasser kamen wir nach Koblenz. Es war 18:30 und Malte musste noch einen Coronatest machen. Erst irrten wir umher, der sollte irgendwo in der Parkgarage sein. Voll komisch und auch gruselig: Der Radweg war auf der Rheinseite, daneben eine Bahntrasse in 10m Höhe und die Durchgänge waren bereits mit Fluttoren verschlossen. 

Und ich werde zitieren: "Selbst erfahrene Hochwasser-Experten sprechen von einer "absolut ungewöhnlichen" Situation. Heftiger Dauerregen und Unwetter sorgen in NRW für Überschwemmungen und über die Ufer tretende Flüsse. Aus Bächen sind reißende Ströme geworden. Es kam zu Erdrutschen, Straßen sind überspült, Keller voll gelaufen und der Bahn- und Straßenverkehr gestört." (https://www1.wdr.de/nachrichten/unwetter-nrw-starkregen100.html)

Da sind wir am richtigen Tag weggefahren. Koblenz und südlich gibt es keine Unwetterwarnungen mehr.

Also: Den Coronatest fanden wir dann doch, aber der war zu, also musste wir nochmal auf die andere Rheinseite. Währenddessen spekulierten wir, ob die Gondel zu DER Festung hoch fuhr, auf der die Jugendherberge ist, oder ob das noch höher liegt als wir. Spoiler Alert: Ja, tut sie, sie fährt zur Jugendherberge, die ist in der Festung, genauso hoch. Und nein, die Gondel fährt nicht nach 19Uhr und der Schrägaufzug auch nicht mehr.

Dann haben wir rüber gemacht und erstmal schön einen vegetarischen Dürüm gegessen, und schön auch, dass Maltes Coronatest negativ war. Wir fuhren wieder zurück und auf der Brücke sagte Malte: Da ist wieder dieses Geräusch... Wir bekamen Flashbacks und mussten dann 2km vor der Festung aufgeben, weil jegliche Luft aus Maltes Hinterreifen entwichen war. Wieder eine Scherbe. Und wir empfehlen allen: KAUFT NIEMALS VITTORIA TERRENO DRY never ever! So ein dünnes Mäntelchen, was so tut als sei es geil, weil es auch tubeless fahren kann, aber nein, dieser Mantel ist scheiße!! Große Scheiße.

Wir packten um, so dass ich Maltes Taschen auf meinem Rad hatte und rollten (ich) und schoben (Malte) langsam Richtung Festung. Letztlich trug Malte ihr Rad den Berg (Die Festung Ehrenbreitstein liegt auf einem 180 m hohen Bergsporn gleichen Namens, dessen schroffe Felshänge im Koblenzer Stadtteil Ehrenbreitstein in das Rheintal auslaufen) hinauf und ich entdeckte, dass ich in Serpentinen auf der Straße den Berg tatsächlich fahrend erklimmen konnte, was ich dann auch tat. Kurz vor dem Ende blieb ich stehen, auch weil wir irritiert waren, wo es weiter ging, Malte schob/trug dann weiter hoch, ich klickten mich wieder ein, für das letzte Stück

...und fiel um.

Mit Klickpedalen und dem gesamten Gepäck. Nach rechts, aufs Knie. 

Immerhin nur eine Schürfwunde. Ich musste trotzdem einen Moment ruhen und warten und in mich gehen bis der Schmerz vorbei ging. 

In der Jugendherberge war alles ok, das Zimmer ist super und wir konnten die Fahrräder einschließen. Ich ging schon mal vor, mit allen Taschen und Malte wollte noch das Hinterrad ausbauen um es im Flur vor dem Zimmer zu flicken. Irgendwann kam sie wieder und meinte nur: "Gut dass Du nicht da warst. Ich habe geflucht was das Zeug hält. Das Hinterrad saß so fest, dass der Inbussschlüssel sich verklemmte und ich ihn mit der Zange rausziehen musste." Und dann saß sie vor der Tür, mit dreckigen Fingern und BEKAM DEN SCHEISS MANTEL NICHT RUNTER. Dieser scheiß hooked rhim scheiß saß so fest in seinem beschissenen hook, dass wir ihn auch nicht mit vereinten Kräften raus bekamen. Morgen früh wird Malte vor dem Radladen, den wir auf dem Weg nach oben unten gesehen haben stehen und die sollen ihr einen neuen Mantel drauf ziehen. Am besten Schwalbe unplattbar. Wir werden berichten.

Was war noch? Hatte ich schon erzählt, dass meine Ortliebs unten undicht sind? Auf dem Boden, in beiden Taschen, war eine Pfütze. Und hatte ich schon erzählt dass es den gesamten Tag regnete?

Hier noch ein kleines Zitat: "Hochwasser im Kreis Ahrweiler: Die „Sintflut“ kam am frühen Abend" (https://www.rhein-zeitung.de/region/aus-den-lokalredaktionen/kreis-ahrweiler_artikel,-hochwasser-im-kreis-ahrweiler-die-sintflut-kam-am-fruehen-abend-_arid,2283053.html)

"Hochwasser in Köln - Rheinpegel steigt deutlich an - Autobahnen teilweise unbefahrbar." (https://www.express.de/koeln/rhein-hochwasser-in-koeln-duestere-prognose-68413)

Joa, da sind wir auch durch gefahren. Und offenbar genau richtig gemacht: In den Süden geflüchtet. 

Und jetzt, glaube ich, wars das für heute. Hoffentlich. Und auch für die Tour an krassen Dingen. Und jetzt sollten wir schlafen, morgen stehen viele Höhenmeter an, immerhin wird uns das Wetter in die Karten spielen.



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