Hier bin ich Arsch, hier darf ich sein
Nach dem Trümmertruppenfeeling von gestern schwante uns Böses für die heutige Etappe: Durch Hamburg, durch die Lüneburger Heide, vorbei an Bispingen, was unser eigentliches Ziel hätte sein können, wäre die Jugendherberge nicht geschlossen gewesen, bis nach Bad Fallingbostel - 122km. Dritter Tag und wenn wir am zweiten Tag schon solche Schmerzen überall hatten, wie schlimm würde es wohl heute werden? Also gingen wir in uns. Wir sinnierten und meditierten und sprachen zu unseren Schmerzstellen. Wir zeigten den Beinen was sie zu tun hatten, erklärten dem Schulter-Nackenbereich seine Aufgaben und zeigten dem Hintern seinen Ort für den Tag und der meldete promt zurück: "Alles klar, hier bin ich Arsch, hier darf ich sein." Und zack, was war? Kaum Schmerzen. Wir sind ziemlich entspannt die 122km gefahren und nur mal hier und mal da sagten die beanspruchten Körperstellen "Hallo hier bin ich." Dann lenkten wir achtsam die Aufmerksamkeit dorthin und entgegneten: "Ach hallooo rechtes Knie" oder "Ach hallooo hinterer rechter Oberschenkel" oder "Ach hallooo Sitzhöcker - da seid ihr ja." hielten kurz Zwiesprache und dann war der Schmerz auch wieder weg. Wie kleine Kinder eben - einmal kurz in den Arm nehmen und dann ist auch alles wieder gut. Lief also. Das Label Trümmertruppe galt heute nicht für uns.
Scheißtag - das war unser Motto neben Hier bin ich Arsch, hier darf ich sein.
Scheißtag, weil:
- Erstes Ereignis: Auf Maltes Brötchentüte landete Vogelkacke.
- Zweites Ereignis: In Hamburg wollten wir an einer Tankstelle kurz auf Klo gehen ("Macht dann 50 cent."), ich betrat den Kloraum und dachte nur: "Für 50 cent kann das hier auch bitte etwas geputzt sein." Aber es kam schlimmer. Ich kam der Schüssel, die dringend einer zweiten Spülung bedurfte, näher, spülte und was passierte? Die Scheiße kam hoch. Klo verstopft. Rückwärts wieder raus, den Schlüssel auf die Theke geknallt und empört wild fuchtelnd rausgestürmt. Ok, stimmt nicht, sondern Bescheid gesagt und gegangen, ohne 50cent bezahlt zu haben.
- Aller guten Dinge sind drei: Ein Schlauch querte den Radweg. Ein Schlauch von einem Abwasserwagen zu einem Haus. Wir ließen noch die Postbeamtin auf dem Dreirad-Post-Ebike umdrehen und nutzten dann die Schlauch-drüber-fahr-Rampe und mussten auf den nächsten 500m würgen weil es sooo schlimm nach warmer Scheiße gestunken hat. Exorbitant abominabel.
Die Radwege in Hamburg sind zumeist kacke (um im Thema zu bleiben), in Niedersachsen hingegen ein Traum, eine Perle, ein Edlestein, ein Diamant Jedenfalls alles nach der Lüneburger Heide bis nach Bad Fallingbostel. Fahrräder sollten, genau wie in den Niederlanden, einfach oberste Priorität haben. Und als wir darüber philosophierten, phantasierten wir ebenfalls, dass wenn wir Räder retten das Klima fordern würden, uns mindestens Politiker A. Sch. Und H. S. festhalten würden, damit Politiker P. A. auf uns drauf springen würden und wir wären sofort tot. So viel zu unserer Kampangne Räder retten das Klima. Will man halt nicht. Also wir schon, diese Leute, die Macht und Lobbys haben nicht.
Die Lüneburger Heide war wunderschön und die Radwege hindurch echte Gravelbikeperlen. Would recommend! 5 Sterne! Und dann sollte man in Wilsede im Teegarten Kaffee und Kuchen essen. Ein Paradies!
Nach der Lüneburger Heide hatten wir noch 35km bis zu unserer Jugendherberge. Es war 17Uhr und wenn wir nach 18Uhr ankommen würden, sollten wir uns melden. Wir machten noch ein Abschiedsfoto an einem Schild Naturpark Lüneburger Heide und dann rief ich die Jugendherberge Bispingen an. Warteschleife. 3min. Dudelmusik. 5min. Dudelmusik. 6min - "Boah Malte, ich lege auf und rufe nochmal an." Wieder Warteschleife.
"Boah das kann doch nicht sein, dass da niemand ans Telefon geht."
Doch, das konnte sehr wohl sein.
Die Jhb Bispingen war geschlossen und wir hatten die Jhb Bad Fallingbostel gebucht. Und da ging sofort jemand dran und nein, es war kein Problem, wir könnten bis 22Uhr anreisen, da wir kein Abendbrot gebucht hatten.
In Bad Fallingbostel machten wir nach 122km ein Punktlandung. Eingecheckt, vegetarischen Dürum geholt und dann fing der Regen an. Perfektes Timing.
Dank der gemangelten Bettwäsche die, wie wahrscheinlich auch die Jugendherberge in den 90ern stehengeblieben ist, wird unsere Nacht heute hart wie Kruppstahl werden und Ihr könnt Euch sicherlich vorstellen, was für lustige Geschichten uns im Zusammenhang mit der in meiner Lenkertasche schwarz gewordenen Banane eingefallen sind.
Morgen werden es entspannte 66km zu meiner Tante nach Dedensen. Geplante Ankunft 15Uhr, vorhergesagtes Wetter: Regen. Hoffen wir mal, dass zumindest das zweite nicht eintritt.
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